Vor wenigen Tagen ging es zur ersten projektbegleitenden Auslandsreise ins schwedische Lund. Anlass war die offizielle Feier der Universitätsbibliothek zur Onlinestellung der so genannten Ravensbrück-Sammlung. Diese geht zurück auf die vorausschauende Sammlungstätigkeit des Unvisersitäts-Lektors Zygmunt Łakociński. Mit der Absicht Beweismaterial für spätere Prozesse zu sammeln, organisierte er 1945/46 allen voran die Befragung von mehr als 500 von im Rahmen der „Bernadotte-Aktion“ nach Schweden befreiten Häftlinge nach ihrem Schicksal. In der großen Mehrheit handelte es sich um polnische Frauen aus Ravensbrück. Diese Berichte bilden heute das Herzstück der Sammlung. Darüber hinaus finden sich dort unter anderem persönliche Aufzeichnungen, Lagerpläne, lagerzeitliche Zeichnungen, Rezepthefte, Briefe, Gebets- und Notizbücher und Blockbücher. Für unser Projekt handelt es sich daher um wichtige Vergleichsobjekte, wie die Überlieferung zweier sehr ähnlicher, in Häftlingsuniform eingeschlagener, Notizbücher in der Lund- und der Gedenkstättensammlung zeigt. Dass ein großer Teil der Sammlung nun online frei zugänglich wird, ist auch für unser Projekt von großem Wert.
Zygmunt Łakociński rettete darüber hinaus etwa 200 weitere Objekte und Häftlingsuniformen, die die Frauen bei ihrer Befreiung mit aus dem Lager genommen hatten. Ursprünglich waren alle persönlichen Utensilien der in Schweden ankommenden KZ-Gefangenen aus Angst vor Ansteckungsgefahr zur Verbrennung vorgesehen. Die geretteten Artefakte dienten 1966 zu einer ersten Ausstellung im Museum Kulturen in Lund, wo sie nach einem jahrzehntelangen Schattendasein seit 2005 wieder in einer Dauerausstellung zu sehen sind. Letztere konnte im Rahmen der Dienstreise ebenfalls besichtigt werden. Auffällig waren die vielen Parallelen zu den Sammlungsobjekten der Gedenkstätte. So finden sich dort ebenfalls bestickte Taschentücher, Puppen, Rosenkränze sowie einige aus Kunststoff geschnitzte Miniaturen. Besonders in Erinnerung blieb auch ein Kruzifix, gefertigt aus verrosteten Schrauben und Muttern.
Nach einer Vorstellung unseres Forschungsprojekts waren sich auch die Kolleginnen des Museum Kulturen einig, dass man die Zusammenarbeit der beiden Institutionen intensivieren müsse, um über Vergleiche mehr über die jeweiligen Objekte zu erfahren. Denn in den meisten Fällen fehlen auch in Lund bisher genauere Informationen über Produktion, Nutzung und verknüpfte Häftlingsschicksale der zumeist heimlich hergestellten Habseligkeiten. Erste Dokumentenfunde in der Sammlung der Universitätsbibliothek schürten jedoch bereits Hoffnungen auf neue Erkenntnisse diesbezüglich. Sie warten nun auf eine Auswertung.
Digitalisate der Ravensbrück-Sammlung an der Universitätsbibliothek >>
Onlineausstellung „Att överleva – Röster från Ravensbrück“ des Museum Kulturen >>